Flugeigenschaften (Pro) von Golf-Discs

Teil 2: Eigenschaften der Disc und ihre Auswirkungen auf das Flugverhalten - Unterschiede bei gleichen Modellen

Hattet ihr jemals verschiedene Scheiben in der Hand und habt euch gefragt, warum gerade das eine Modell ein overstable Meathook ist und das andere eine understable Turnover-Disc?
Nun ja, anhand eines ungeschulten Blickes wird man das auch nicht erkennen können – denn egal, wie manche Scheibe aussieht – ob geschwungene Unterseite des Flügels oder keilförmig – es gibt die verschiedensten Varianten mit verschiedensten Stabilitäten.
Angenommen, wir nehmen uns nun ein bestimmtes Modell als Beispiel, so gibt es grundsätzliche Einflußfaktoren für unterschiedliches Flugverhalten der Discs:

 • natürlich der Wind: Gegenwind lässt die Scheibe understabler erscheinen, Rückenwind overstabler. Grund: die Disc „denkt“, sie dreht sich schneller bzw. langsamer. Wind hat in etwa den gleichen Effekt auf den Flug als würde ein Profi oder ein Anfänger die gleiche Scheibe werfen.
Gegenwind
Rot: overstalbe Disc, Grün: stable Disc, Blau: understable Disc
• das Gewicht: je leichter das Modell, desto understabler als sein schwererer Bruder. Schwerer bedeutet gleichzeitig auch weniger windanfällig, aber auch schwerer zu werfen.

• das eigene Können: je weniger Übung, je weniger ausgereift der Wurfschwung & Spin, desto overstabler verhält sich die eine Disc (deshalb sind manche Diskussionen über Scheiben zwischen Anfängern und Fortgeschrittenen so konträr). Hier könnt ihr Scheibenflüge mit verschiedenen Skill-Levels simulieren: http://www.flightanalyzer.com/ ; einfach eine Scheibe wählen und am Zahnrad zwischen MA3 – MPO umschalten.
Wurfstärke
gleiche Disc bei unterschiedlichem Können (siehe flightanalyzer: MPO=Profi, MA3=Anfänger)

 Spin: die Eigenrotation der Disc nimmt starken Einfluss auf die Gesamtstabilität des Flugs. Nicht zu verwechseln mit Over- und Understability. Eine Scheibe, die bei gleichem Speed mit mehr Spin geworfen wird, zeigt reduzierten Turn UND Fade - der Forward Push der Disc wird verlängert, da die Disc durch die Eigenrotation den "Lift" besser aufrechterhalten kann. Darüber hinaus ist der Spin auch für die Windresistenz enorm wichtig und durch weniger stark ausgeprägten Turn sowie Fade auch die Kontrolle höher - auch ein Wurfwinkel der Disc kann dadurch länger aufrechterhalten bleiben.
Spin ist zurecht der heilige Gral für Disc Golfer, obschon man dafür nicht zu viele Gedanken aufwenden sollte - bei guter Wurftechnik hat man Tonnen an Spin. Solltest du zu wenig Spin haben, versuche, den Grip zu adaptieren - die Disc erhält den Spin vom Zeigefinger und einem (relativ) lockeren Handgelenk beim Release, daher sollte die Disc, wenn du sie zwischen Zeigefinger und Daumen nach unten hängend mal beim Versuch "baumeln" lässt, sich auch leicht rotieren lassen. 

• das Material bzw. die Abnutzung (break in / beat in): ja, auch das Material bestimmt das Flugverhalten! Generell gilt, je haltbarer das Plastik, desto mehr tendiert es, overstabler zu sein als eine weniger haltbare Disc. Weiters behalten diese auch die Flugeigenschaften länger. Das bedeutet zb. im Falle von Innova: DX ist weniger stabil als Star ist weniger stabil als Champion, bei Latitude64 ist Gold Line-Plastik generell understabler als Opto Line.
Auch verlieren die weniger strapazierbaren Discs schneller ihre Flugeigenschaften - Je abgenutzter eine Disc, desto understabler wird diese. (Siehe auch http://www.dgcoursereview.com/forums/archive/index.php/t-13857.html)


• Produktionsrückstände: am untersten Rand bleibt manchmal ein feiner Grat (="Flashing") übrig.
Meist spürt man diesen unangenehm nach mehreren Würfen am Rip-Finger (das ist der Finger, an dem die Disc drüberzieht und den Spin erhält. Die anderen Finger nennt man "Lock-Finger", da diese die Disc nur in Position halten, bis die Disc in den "Pivot" übergeht).
Dieser Grat bewirkt ebenfalls ein etwas overstableres Flugverhalten. Sobald dieser weg ist, entwickelt die Scheibe erst ihr wahres Gesicht.


• die „Trennline der Nase“: (siehe in englischsprachigen Foren oft als PLH = “Parting Line of Height“ bezeichnet) hat großen Einfluss auf das Flugverhalten!
Durch verschiedene Produktionslinien kann es sein, dass der 1st Run anders ist als der 2nd Run. Ich hatte selber mal 2 Latitude64 Striker – die eine war sehr stable, die andere hatte deutlich weniger Turn und viel mehr Fade! Wenn 2 mal das gleiche Modell hast, welche aber unterschiedlich fliegen, so hast du vmtl. 2 verschiedene PLH´s. Lege die Discs Seite an Seite auf einem Tisch und sieh zu, dass die beiden Nasen sich berühren: berühren sie sich an exakt der gleichen Stelle, so ist dir möglicherweise eine davon nur zu schwer. Sieht es allerdings so wie im folgenden Bild aus, so hast du 2 verschiedene Produktionsläufe erwischt:

PLH Parting lineof height

Obiges Bild ist ein Extrembeispiel einer Nuke. Allerdings passiert das an sich bei jedem Hersteller und macht vmtl. den größten Teil der verschiedenen Flugverhalten von ein und dem selben Modell aus. Auch Abnützung verändert die PLH: je mehr Bäume die Disc bereits geküsst hat, desto stärker wird die Nase vmtl. nach unten gewandert bzw. abgeschlagen sein, und desto understabler wird die Disc mit der Zeit.
Generell gilt (auch für unterschiedliche Modelle): Die PLH / Kante bestimmt, wieviel Luft an der Oberseite und wieviel an der Unterseite der Disc vorbeiströmt und somit auf die Flugplatte von oben oder von unten wirkt. Je höher diese äusserte Kante der Nase, desto overstabler die Scheibe!
Man kann seine Discs auch dahingehend "tunen" (siehe http://letyour.putterfly.at/p/disc-tuning.html).


• die Kuppel (Dome): je höher die Kuppel, desto mehr Glide hat die Disc mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit im Vergleich zum weniger kuppeligen Artgenossen.
Mach den PLH-Test, wenn diese ident ist, dann kannst du den Kuppeltest wie im Bild machen.

Golfdisc Dome vs dome

• die Farbe: klingt komisch, berichten aber auch Menschen, die in der Kunststoffbranche arbeiten: Farbstoffe sind unterschiedliche Substanzen, die sich natürlich auch in der chemischen Zusammensetzung des Kunststoffes auswirken können - und somit auch z.B. am Abkühlverhalten, was entscheidend für die Position der PLH ist. Darüber hinaus verändert manche Farbe die Konsistenz und somit die Festigkeit und das Gefühl beim Anfassen, was sich auch auf die psychologischen Grundeinstellung der Disc gegenüber auswirken kann.

•  der Produktionslauf ("Run") der Disc: es ist auch entscheidend, ob ein und das selbe Modell im gleichen Gewicht aus dem selben Produktionslauf stammt! Kunststofftechnik ist sehr komplex, da das Abkühlverhalten den Dome beeinflussen kann (siehe auch "Farbe" darüber), daher sind meist gleiche Farben aus dem gleichen Produktionslauf tatsächlich ident, Discs aus dem gleichen Lauf auch, wobei hier die Variable des Pigments dazukommt.

• die Psychologie/Optik: manch einen betrifft das vielleicht - eine Disc, die einem selber gut gefällt, wirft man  vmtl. besser als eine Disc, die einem nicht anspricht oder die man hässlich empfindet. ;)


Abschliessend noch ein paar nützliche Wortdefinitionen für weiterführende Suchen:

• Rim (=Rand): der Rand der Scheibe. Dieser kann an der Innenseite in einem bestimmten Winkel abgeschrägt (=slanted), gerade oder nach innen gewölbt sein.
• Flightplate (=Flugplatte): der "Deckel" der Disc. Kann eine hohe Kuppel (Dome) haben oder flach wie eine Flunder sein.
• Nose (=Nase): die Stirnseite des Randes.
• Wing (=Flügel): eigentlich der Rand der Disc, allerdings spricht man hier eher vom Querschnitt. Der Flügel besteht aus Ober- und Unterseite, welche von der "Parting Line of Height" getrennt sind.

[UPDATE]:
hier ein tolles Video, das die PLH super erklärt:

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